Opern-Spielpläne in NRW: tot und männlich
Wir haben die Opern-Spielpläne in NRW unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: NRW ist ein Opern-Paradies. Aber lebende Komponisten haben kaum eine Chance, auf die Spielpläne zu kommen. Und Komponistinnen gar keine.
Waren Sie in der letzten Spielzeit in der Oper? Dann haben Sie höchstwahrscheinlich Papageno, die Knusperhexe oder Leporello auf der Bühne erlebt. Denn diese Opern und Operetten standen am häufigsten auf dem Spielplan:
Zauberflöte vor Hänsel und Gretel
In der vergangenen Spielzeit stemmten die 13 kommunalen Bühnen über hundert Inszenierungen – mit insgesamt mehr als tausend Aufführungen. Drei Opern pro Tag. NRW ist ein großartiges Bundesland für Oper.
Viel Angebot, aber wenig Vielfalt
Doch so vielfältig, wie es sich auf den ersten Blick darstellt, ist das Angebot keinesfalls. Denn meistens begegnet das Publikum alten Bekannten:
Verdi, Mozart, Wagner sind Spitzenreiter
Bei Leonard Bernstein und Jacques Offenbach sieht man, dass die großen Jubiläumsjahre sehr erfolgreich darin waren, diese Komponisten wieder auf die Spielpläne zu setzen. Trotzdem sind die großen Namen meistens Verdi, Mozart, Wagner und Puccini - ihre Opern machen etwa ein Drittel der Aufführungen aus. Giuseppe Verdi führt diese Liste mit Abstand an – seine Opern sind gleich 13 mal inszeniert und insgesamt 143 mal aufgeführt worden.
Im Schnitt sind die Komponisten 180 Jahre alt
Die beliebten Melodien von Mozart und Verdi lassen anscheinend kaum Konkurrenz zu. Denn Stücke von lebenden Komponisten und Komponistinnen finden sich selten auf den Spielplänen. Nur jeder dritte gespielte Komponist lebt noch, im Schnitt sind die Komponisten 180 Jahre alt. Ist die Opernwelt im 19. Jahrhundert stehen geblieben?
Jeder dritte Komponist lebt - wird aber kaum aufgeführt
Für den Komponisten Moritz Eggert ist das ein Armutzeugnis. Er hatte den deutschen Opernhäusern schon im vergangenen Jahr mangelnde Innovationskraft vorgeworfen:
Überlebenschance der Gattung Oper, wenn sich nicht grundlegend etwas ändert: 0%
Moritz Eggert
Philipp Jüttner vom Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen wehrt sich gegen den Vorwurf: "Auftragswerke sind aufwändig und teuer". Jedes Jahr vergäben die Opern Aufträge an lebende Komponisten. Jüttner: "Wir schauen, wo wir Lücken im Repertoire schließen können." Einen Bedarf sieht er vor allem bei Werken für ein junges Publikum - also bei Kinderopern. So tourte das Musiktheater im Revier mit "Don Quixote" von Komponistin Katharina Schmauder (Jahrgang 1994) durch die Grundschulen im Umland. Für die große Bühne war das Stück allerdings nicht gedacht.
Zeitgenössische Werke müssen sich beweisen.
Philipp Jüttner, Musiktheater im Revier Gelsenkirchen
Neue Stoffe hätten es häufig schwer, sich gegen populäre Melodien durchzusetzen: "Ein guter Test dafür, was künstlerisch standhält." Deswegen wundere es Philipp Jüttner nicht, dass viele neu komponierte Opern nicht mehr Aufführungen als die Premiere erleben: "Zeitgenössische Werke müssen sich gegen bekannte Opern beweisen."
Dortmund, Wuppertal und Düsseldorf/Duisburg sind die lebendigsten Häuser
13 lebende Komponisten auf der Bühne - darunter nur eine einzige Frau
Schaut man sich die Stücke an, die die Häuser auf ihren eigenen Bühnen aufführen, so sind die Komponisten allesamt Männer. Einzige Ausnahme ist die spanische Komponistin Nuria Núñez Hierro (Jahrgang 1980).
Können Frauen einfach keine Opern schreiben? Nein, daran liegt es nicht."Es gibt gewachsene Strukturen, die von Männern dominiert sind", erklärt der Intendant der Oper Wuppertal, Berthold Schneider, den hohen Männeranteil.
Da kann man über eine Frauenquote nachdenken.
Berthold Schneider, Intendant der Oper Wuppertal
Gerade weil die Anzahl der Kompositionsaufträge, die die Häuser vergeben, recht überschaubar ist, müsse man sicherstellen, dass Frauen angemessen berücksichtigt werden. "Das könnte man mal festlegen", sagt Schneider.
Europa im Zentrum
Auch die Herkunft der gespielten Komponisten beschränkt sich vor allem auf Deutschland und Mitteleuropa.
Die Opern begründen ihre konservativen Spielpläne mit dem allgemeinen Druck, die Auslastungszahlen hoch zu halten. Für Intendant Berthold Schneider eine gute Situation: "Ich glaube wir sind da in einer ganz tollen Situation im Moment", sagt er, "weil auch der innere Leidensdruck ziemlich groß ist und das ist immer eine gute Voraussetzung."
Auf der einen Seite wolle Schneider mit Oper kulturelles Erbe abbilden, auf der anderen Seite Innovationsdruck machen: "Wir brauchen unbedingt viel, viel mehr Dynamik."
Die Oper ist stark genug, dass sie sich immer wieder verändern wird.
Berthold Schneider, Intendant Oper Wuppertal
Daten
- - WDR Umfrage und eigene Recherchen - Daten zum Download: opern_nrw_18_19.csv
- - Per Wikidata Query Service abgerufene Lebensdaten - Daten zum Download: Komponistinnen_wikidata.csv
- - Die Vorgehensweise bei der Datenanalyse können Sie hier nachlesen: Daten-Analyse Opern in NRW
Code
- - 'Oper in NRW' ist das erste WDR Data Projekt, das mit unserem Data Starter umgesetzt wurde. Der Code steht OpenSource zur Verfügung: WDR Data Starter
Bildrechte:
- Aufmacher-Bild: Richard Wagner und seine Freunde, Foto von Joseph Albert (picture alliance / akg-images)
- Bild 2: Der Wuppertaler Opernintendant Berthold Schneider, fotografiert von Jens Grossmann
Credits:
- Redaktion: Niklas Rudolph, Urs Zietan, Jutta Starke
- Design: Chrissi Holderbaum, Dilek Wache
- Programmierung: Christine Gotthardt, Marcus Weiner, Jakob Holderbaum, Patricia Ennenbach
- Accessability, UX: Dilek Wache, Stephanie Juranek
- Datenrecherche: Felix Buczek, Hannah Schmidt, Anne Glaser, Robert Haase, Greta Hey, Inge Akyaa, Katharina Riethmüller
- Besondere Unterstützung: Dr. Olaf Roth, Musiktheater im Revier
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