WDR-Logo Richard Wagner und seine FreundeRichard Wagner und seine Freunde
2019 M07 15

Opern-Spielpläne in NRW: tot und männlich

Wir haben die Opern-Spielpläne in NRW unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: NRW ist ein Opern-Paradies. Aber lebende Komponisten haben kaum eine Chance, auf die Spielpläne zu kommen. Und Komponistinnen gar keine.

Waren Sie in der letzten Spielzeit in der Oper? Dann haben Sie höchstwahrscheinlich Papageno, die Knusperhexe oder Leporello auf der Bühne erlebt. Denn diese Opern und Operetten standen am häufigsten auf dem Spielplan:

Zauberflöte vor Hänsel und Gretel

Wurde das Stück im Haus auch 'für Kinder' gespielt, haben wir es hier mit zusammengefasst.

In der vergangenen Spielzeit stemmten die 13 kommunalen Bühnen über hundert Inszenierungen – mit insgesamt mehr als tausend Aufführungen. Drei Opern pro Tag. NRW ist ein großartiges Bundesland für Oper.

Viel Angebot, aber wenig Vielfalt

Doch so vielfältig, wie es sich auf den ersten Blick darstellt, ist das Angebot keinesfalls. Denn meistens begegnet das Publikum alten Bekannten:

Verdi, Mozart, Wagner sind Spitzenreiter

Zu sehen ist das Geburtsjahr im Verhältnis zur Zahl der Aufführungen. Gelbe Quadrate stehen für lebende KomponistInnen, blaue Punkte für verstorbene. Klicken Sie darauf, um Name, Geburtsjahr und Zahl der Aufführungen zu sehen.

Bei Leonard Bernstein und Jacques Offenbach sieht man, dass die großen Jubiläumsjahre sehr erfolgreich darin waren, diese Komponisten wieder auf die Spielpläne zu setzen. Trotzdem sind die großen Namen meistens Verdi, Mozart, Wagner und Puccini - ihre Opern machen etwa ein Drittel der Aufführungen aus. Giuseppe Verdi führt diese Liste mit Abstand an – seine Opern sind gleich 13 mal inszeniert und insgesamt 143 mal aufgeführt worden.

Im Schnitt sind die Komponisten 180 Jahre alt

Die beliebten Melodien von Mozart und Verdi lassen anscheinend kaum Konkurrenz zu. Denn Stücke von lebenden Komponisten und Komponistinnen finden sich selten auf den Spielplänen. Nur jeder dritte gespielte Komponist lebt noch, im Schnitt sind die Komponisten 180 Jahre alt. Ist die Opernwelt im 19. Jahrhundert stehen geblieben?

Jeder dritte Komponist lebt - wird aber kaum aufgeführt

Bei Klick auf 'KomponistInnen' ist zu sehen, wie das Verhältnis von verstorbenen zu lebenden KomponistInnen ist.

Für den Komponisten Moritz Eggert ist das ein Armutzeugnis. Er hatte den deutschen Opernhäusern schon im vergangenen Jahr mangelnde Innovationskraft vorgeworfen:

Überlebenschance der Gattung Oper, wenn sich nicht grundlegend etwas ändert: 0%

Moritz Eggert

Philipp Jüttner vom Musiktheater im Revier in Gelsenkirchen wehrt sich gegen den Vorwurf: "Auftragswerke sind aufwändig und teuer". Jedes Jahr vergäben die Opern Aufträge an lebende Komponisten. Jüttner: "Wir schauen, wo wir Lücken im Repertoire schließen können." Einen Bedarf sieht er vor allem bei Werken für ein junges Publikum - also bei Kinderopern. So tourte das Musiktheater im Revier mit "Don Quixote" von Komponistin Katharina Schmauder (Jahrgang 1994) durch die Grundschulen im Umland. Für die große Bühne war das Stück allerdings nicht gedacht.

Zeitgenössische Werke müssen sich beweisen.

Philipp Jüttner, Musiktheater im Revier Gelsenkirchen

Neue Stoffe hätten es häufig schwer, sich gegen populäre Melodien durchzusetzen: "Ein guter Test dafür, was künstlerisch standhält." Deswegen wundere es Philipp Jüttner nicht, dass viele neu komponierte Opern nicht mehr Aufführungen als die Premiere erleben: "Zeitgenössische Werke müssen sich gegen bekannte Opern beweisen."

Dortmund, Wuppertal und Düsseldorf/Duisburg sind die lebendigsten Häuser

Gezeigt wird der Anteil lebender bzw. verstorbener KomponistInnen in der Spielzeit 2018/2019.

13 lebende Komponisten auf der Bühne - darunter nur eine einzige Frau

Schaut man sich die Stücke an, die die Häuser auf ihren eigenen Bühnen aufführen, so sind die Komponisten allesamt Männer. Einzige Ausnahme ist die spanische Komponistin Nuria Núñez Hierro (Jahrgang 1980).

Hierros Kinderoper “Kleines Stück Himmel” wurde in Wuppertal acht mal aufgeführt.
Können Frauen einfach keine Opern schreiben? Nein, daran liegt es nicht.

"Es gibt gewachsene Strukturen, die von Männern dominiert sind", erklärt der Intendant der Oper Wuppertal, Berthold Schneider, den hohen Männeranteil.

Da kann man über eine Frauenquote nachdenken.

Berthold Schneider, Intendant der Oper Wuppertal

Gerade weil die Anzahl der Kompositionsaufträge, die die Häuser vergeben, recht überschaubar ist, müsse man sicherstellen, dass Frauen angemessen berücksichtigt werden. "Das könnte man mal festlegen", sagt Schneider.

Europa im Zentrum

Auch die Herkunft der gespielten Komponisten beschränkt sich vor allem auf Deutschland und Mitteleuropa.

Die meisten KomponistInnen sind in Europa geboren, nur wenige kommen aus dem EU-Ausland.

Die Opern begründen ihre konservativen Spielpläne mit dem allgemeinen Druck, die Auslastungszahlen hoch zu halten. Für Intendant Berthold Schneider eine gute Situation: "Ich glaube wir sind da in einer ganz tollen Situation im Moment", sagt er, "weil auch der innere Leidensdruck ziemlich groß ist und das ist immer eine gute Voraussetzung."

Der Wuppertaler Opernintendant Berthold Schneider, fotografiert von Jens Grossmann
Berthold Schneider

Auf der einen Seite wolle Schneider mit Oper kulturelles Erbe abbilden, auf der anderen Seite Innovationsdruck machen: "Wir brauchen unbedingt viel, viel mehr Dynamik."

Die Oper ist stark genug, dass sie sich immer wieder verändern wird.

Berthold Schneider, Intendant Oper Wuppertal
ZählpixelZählpixel